Begehrte Bohne

Weltweit steigt der Kaffeedurst, doch in den Anbaugebieten bereitet der Klimawandel den Kleinbauern Sorgen. Können neue Züchtungen das Problem lösen? Oder wird das Heißgetränk zum Luxusgut?

von Harald Maass

Vorbei an Orchideen und Zedern steuert Teodomiro Melendres Ojeda den Jeep über die schmale Bergstraße, die sich durch die Anden windet. Manchmal muss der Agrartechniker Motorradrikschas überholen, auf deren Hecks die Logos von Marken wie Nike und Adidas gestickt sind. In einem Weiler auf 1.700 Metern Höhe, umgeben von dichten Wäldern, steigen wir aus. Melendres führt uns einen Abhang hinunter zu einem Feld, auf dem in ordentlichen Reihen niedrige, grünblättrige Bäume wachsen. Auf Schildern stehen Namen und Codes wie „Col3“ oder „Geisha“. Sie stehen für neue Kaffeepflanzen, die hier gezüchtet werden.

Wenn alles gut geht, sollen die Früchte der Pflanzen, die auf dem Forschungsfeld im Norden Perus nahe der Grenze zu Ecuador angebaut und später durch genetische Kreuzungen optimiert werden, eines Tages überall auf der Welt konsumiert werden. Sie sollen genau die Mischung aus Aromen und Säuren erzeugen, um millionenfach die Gaumen der Menschen zu erfreuen. Sie sollen resistent gegen Schädlinge und Pilzplagen sein, die jedes Jahr die Ernte und Existenz von Millionen Kleinbauern bedrohen. Sie sollen einen hohen Ertrag abwerfen. Aber noch wichtiger sei, eine Kaffeepflanze zu züchten, sagt Melendres und wischt sich den Schweiß aus dem Gesicht, „mit denen wir den Problemen des Klimawandels die Stirn bieten können“.

Jeden Tag werden auf der Welt rund drei Milliarden Tassen Kaffee getrunken – in Deutschland sind es 164 Liter pro Kopf und Jahr. Weil auch in Ländern wie China und Indien immer mehr Kaffee konsumiert wird, könnte sich der Verbrauch bis zum Jahr 2050 nach Schätzungen von Experten verdoppeln. Schon heute ist Kaffee eines der wichtigsten und meistgehandelten Güter der Erde. Der globale Umsatz mit Kaffee soll dieses Jahr 431 Milliarden Euro betragen – mehr als die Wirtschaftsleistung von Ländern wie Dänemark, Südafrika oder Portugal, meldet Statista. Für viele Entwicklungsländer ist Kaffee ein wichtigstes Exportgut. Rund 125 Millionen Menschen, meist Kleinbauern in Südamerika, Afrika und Asien, leben vom Anbau der Kaffeebohnen.

Doch die globale Kaffeeproduktion stößt an ihre Grenzen. Dürren und andere Wetterphänomene lassen heute schon die Anbauflächen schrumpfen. Schädlinge wie der Kaffeebohrer, ein winziger Käfer, der sich in die Kaffeekirsche frisst, machen den Bauern das Leben schwer. In den beiden größten Herstellerländern Brasilien und Vietnam, die zusammen mehr als die Hälfte des weltweiten Kaffees produzieren, haben Hitzeperioden, Brände und Unwetter zuletzt große Teile der Ernte zerstört. Als Folge ist der Kaffeepreis an den internationalen Handelsbörsen auf Rekordhöhen gestiegen. Im Februar wurde Arabica erstmals für über vier Dollar pro Pfund gehandelt. Doch das dürfte nur der Anfang sein.

„Kaffee ist ein Baum, der perfektes Wetter liebt. Nicht zu kühl, nicht zu warm – genau die optimale Zone, die man immer schwieriger findet “, sagt Jennifer Vern Long, Chefin von World Coffee Research (WCR). Die Organisation, die von mehr als 200 globalen Kaffeekonzernen finanziert wird, darunter Lavazza, Tchibo und Keurig Dr Pepper, hat die Aufgabe, die Zukunft des Kaffees zu sichern. Die größte Herausforderung: Steigende Temperaturen durch die Erderwärmung. In vielen Kaffeeanbaugebieten würden sich extreme Wetterereignisse häufen, was zu Ernteausfällen und Schädlingsbefall führt, sagt Long: „Der Klimawandel ist eine echte Herausforderung, und er findet jetzt statt.“

Eine Studie der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften kommt zu dem Schluss, dass in den nächsten 25 Jahren die Hälfte der besten Arabica-Anbaugebiete vom Klimawandel betroffen sein könnte. Klassische Kaffeeländer wie Brasilien, Vietnam, Kolumbien oder Indonesien werden der Studie zufolge Produktionskapazitäten einbüßen. Gleichzeitig könnten in den USA, Argentinien, Uruguay und China neue Kaffeegebiete entstehen. Doch unter dem Strich „überwiegen die negativen Auswirkungen“, sagt Roman Grüter, einer der Autoren der Studie. Es gebe einen enormen Handlungsbedarf für die gesamte Kaffeeindustrie, sagt Pablo von Waldenfels, Direktor Unternehmensverantwortung bei Tchibo. „Die Auswirkungen des Klimawandels für den Kaffeeanbau sind besorgniserregend.“

Wird der Welt der Kaffee ausgehen? Oder wird er so teuer werden, dass wir ihn künftig nur als Luxusgetränk zu besonderen Anlässen konsumieren? Von den Vorstandsetagen der internationalen Kaffeekonzerne bis in Dörfer in Kolumbien oder Äthiopien macht man sich Gedanken, wie die Zukunft des Kaffees gesichert werden kann. Während manche Startups bereits an „kaffeefreiem“ Kaffee tüfteln, also koffeinhaltigen Ersatzgetränken, arbeiten andere daran, den Anbau der Bohnen zu revolutionieren. Das Ziel: Neue Kaffeesorten zu züchten und weltweit zu verbreiten, die resistent gegen Schädlinge und widerstandsfähig gegen die Auswirkungen des Klimawandels sind.

Das größte und aus Sicht der Branche erfolgversprechendste Projekt ist ein auf rund zwei Jahrzehnte ausgelegtes globales Zucht- und Evaluierungsprogramm unter Führung von WCR. Seit 2016 arbeiten Agrarwissenschaftler zusammen mit Behörden, Unternehmen und Kaffeebauern der wichtigsten Produktionsländern an dem Projekt. Im Gegensatz zu anderen Kulturpflanzen wie Mais oder Reis habe es in der Geschichte des Kaffee kaum Verbesserungen im Anbau gegeben, sagt Long. Durch das WCR-Zuchtprogramm, an dem rund zwei Dutzend Länder beteiligt sind, „bringen wir erstmals neue Technologien in das System“. Für die globale Kaffeeindustrie sei das ein „Game Changer“.

Ein Ort, wo sich diese Hoffnungen bündeln, ist das Forschungsfeld in Peru. „Das ist eine Lempira, die stammt aus Honduras“, erklärt Melendres und zeigt auf eine Reihe von Kaffeebüschen. Um sich gegen die Sonne zu schützen, trägt er eine langärmelige Sportjacke und eine grüne Basketball-Mütze. Während wir an den Kaffeepflanzen entlanggehen, deutet Melendres immer wieder auf Blätter mit dunklen Punkten. „Die Pflanze hat Probleme mit dem Roya“, erklärt er. La Roya, oder Kaffeerost, hat sich in den vergangenen Jahrzehnten zur größten Bedrohung für den Kaffeeanbau entwickelt. Der Pilz kann bis zur Hälfte der Kaffeeproduktion eines Bauern zerstören. Ein Gegenmittel gibt es bislang nicht. Für das Züchtungsprojekt sei neben Ertrag, Geschmack und den Eigenschaften im Klimawandel deshalb wichtig, dass die Pflanzen gegen Schädlinge resistent sind, sagt Melendres und deutet auf einen Baum, von dem kaum mehr als ein Stumpf übrig geblieben ist. „Hier sieht man, wie Roya die Pflanze entblättert. Auf lange Sicht wird sie nicht überleben.“

Obwohl es mehr als 120 verschiedene wilde Kaffeearten gibt, verwenden Kaffeebauern im Wesentlichen nur zwei Sorten: Arabica und Robusta. Während die geschmacklich anspruchsvolleren Arabica-Bohnen (56 Prozent der Weltproduktion) vorwiegend in Südamerika angebaut wird, bevorzugen Länder wie Vietnam, Indonesien und Uganda den Anbau von Robusta (43 Prozent der Weltproduktion), der widerstandsfähiger und hitzetoleranter ist. Von jeder dieser beiden Sorten gibt es Varietäten. Das sind Unterarten, die in den jeweiligen Anbauländern zum Teil durch Kreuzungen oder in Zuchtprogrammen entstanden sind und die sich durch bestimmte Eigenschaften auszeichnen.

Für das WCR-Zuchtprogramm haben Wissenschaftler in einem ersten Schritt 31 Varietäten aus verschiedenen Regionen und Kontinenten ausgewählt, von denen man hofft, dass sie am besten mit den Veränderungen des Klimawandels zurechtkommen könnten. Auf insgesamt 29 Testfeldern mit jeweils unterschiedlichen klimatischen und geografischen Bedingungen, von Peru über Simbabwe bis Laos, werden die Pflanzen seit neun Jahren getestet und selektiert. Die Samen der besten Varietäten sollen später, nachdem sie zum Teil durch genetische Kreuzungen weiter verbessert wurden, in riesigen Anbauprogrammen vermehrt und an Kaffeebauern weltweit verteilt werden.

Kann das gelingen? Den globalen Kaffeeanbau, der über Jahrhunderte und Kontinente hinweg entstanden ist, mit einem einzigen Projekt zu revolutionieren? Ab 2030 sollen die ersten Varietäten aus dem Zuchtprogramm im kommerziellen Kaffeeanbau einsetzt werden, sagt Long: „Bei allen möglichen Nutzpflanzen, von Maniok bis zu Kichererbsen, gab es erfolgreiche Zuchtprogramme. Das ist keine Raketenwissenschaft.“ Für die WCR-Chefin ist der Klimawandel ein „lösbares Problem“. Sie spricht von Präzisionslandwirtschaft, von neuen Zuchtprogrammen und von den Vorzügen des Schattenanbaus, bei denen die Kaffeepflanzen durch angepflanzte Bäumen vor direkter Sonne geschützt werden. „Als Wissenschaftlerin bin ich eine ewige Optimistin. Ich glaube, dass wir uns mit Innovation aus diesem Schlamassel ziehen können.“

Glauben das auch die Kaffeebauern, die seit Jahren mit immer schwierigeren Bedingungen kämpfen? Besuch bei Cenfrocafe, einer Genossenschaft von 2800 Kleinbauern in der nordperuanischen Stadt Jaen. Der Platz vor dem Firmensitz, eine Fläche so groß wie ein Fußballfeld, ist bedeckt mit Kaffeebohnen, die in der Sonne trocknen. In der Luft liegt der leicht modrige Geruch von feuchten Pflanzen. Alle paar Minuten fährt ein Bauer in einem wackligen alten Lieferwagen vor, um seine Kaffeeernte abzugeben. In großen schwarzen Plastiksäcken schleppen sie den Kaffee auf eine Bühne, wo er gewogen wird. Mit einem hohlen Stahlrohr nehmen Arbeiter Proben, die mit dem Ausdruck eines anonymisierten Codes versehen werden. Jede Kaffeelieferung wird später von den Experten der Genossenschaft getestet und bewertet. Je besser die Qualität, desto höher ist der Preis, den der Kaffee auf den internationalen Märkten erzielen kann.

Cenfrocafe gilt als ein Vorzeigebetrieb der peruanischen Kaffeewirtschaft. Die hochwertigen Arabica-Sorten der 1999 gegründeten Genossenschaft gewinnen regelmäßig Preise und werden in die ganze Welt exportiert. Der Kaffee gilt als vorbildlich nachhaltig, ist bio-zertifiziert und wird mit dem Fairtrade-Siegel gehandelt. Cenfrocafe ist auch Kooperationspartner des WCR und betreibt das Testfeld für die Züchtungen. Doch als wir Javier Ronald Cahuapaza Mamani in seinem Büro treffen, ein rundlicher Mann mit einem Seitenscheitel aus dichtem, schwarzen Haar, stehen ihm die Sorgenfalten auf der Stirn.

„Wir sind in einer Krise“, sagt Cahuapaza. Die Schwankungen bei den Kaffeepreisen in den vergangenen Jahren hätten dazu geführt, dass die Genossenschaft in eine finanzielle Schieflage geraten sei. Zeitweise habe man die Bauern nur mit Verzögerung für die Kaffeelieferungen bezahlen können, berichtet der Manager. Gleichzeitig müsse man investieren, um die unterschiedlichen Richtlinien der EU, der USA und der asiatischen Märkte zu erfüllen. „Unsere Kaffeebauern leben in bescheidenen Verhältnissen“, sagt Cahuapaza, der selbst aus einer Familie von Cafetaleros stammt, wie sich die Kaffeebauern stolz nennen. Viele Familien leben seit Generationen von Kaffee. Doch mittlerweile würden die Mitglieder kaum noch etwas an dem Kaffee verdienen, im Durchschnitt etwa 5.000 Dollar pro Jahr, sagt der Manager. „Der Kaffeeanbau ist nicht wirklich rentabel. Aber sie haben keine Alternative.“

Zwischen sieben bis neun Monaten reifen Arabica-Kirschen nach der Blüte am Baum, ehe sie geerntet werden. Im nächsten Schritt entfernen die Bauern mit einem sogenannten Depulper, einer Art rotierender Sieb, das grobe Fruchtfleisch. Anschließend werden die Bohnen in Wasser fermentiert, gewaschen, gesiebt und anschließend in der Sonne getrocknet. Erst dann landen sie bei Yoselin Guerrero Neira auf dem Holztisch. Vor ihr stehen Plastikschalen mit Kaffeebohnen. Gemeinsam mit ihren Kolleginnen bei Cenfrocafe zählt die junge Frau bei jeder Probe von Hand die Zahl der dunklen und damit schlechten Kaffeebohnen. Das ist der erste Schritt der Qualitätskontrolle.

Anschließend kommt der Geschmackstest. Das ist die Aufgabe von Wilian Altamirano Mejia und seinem Team, dem Chef der Qualitätskontrolle. Der stämmige Mann ist professioneller Catador – Kaffeeverkoster. Er empfängt uns, gekleidet in einem blauen Arbeitsshirt und einer langen Schürze, in einer Art Labor. Auf Tischen stehen Digitalwaagen und andere Messapparaturen, dazu vier kleine Kaffeeröstanlagen. Der Duft von frisch gebrühtem Kaffee liegt in der Luft. Während Wein sich aus 400 Aromen zusammensetzen kann, sind es bei Kaffee mehr als 800. Um die Qualität eines Kaffees zu beschreiben und zu kategorisieren, verwenden Kaffeeverkoster wie Altamirano deshalb ein international einheitliches Verfahren, das von einer Organisation namens Specialty Coffee Association entwickelt wurde.

„Tropisch fruchtig…eine Schokoladennote“, murmelt Altamirano. Vor ihm stehen zehn Gläser mit frisch gebrühtem Kaffee in einer Reihe. Mit einem Löffel nimmt er aus jedem Glas einen kleinen Schluck, ein leichtes Schlürfen ist zu hören, dann spuckt er aus. „Das ist ein sehr guter Kaffee, eine 83“, sagt er zum Abschluss. Die Zahl steht für die Geschmacksqualität – je höher, desto besser. Sie entscheidet über den Preis, den der Bauer für seine Ernte erhält. Während ein 70er-Kaffee noch eine gute Exportqualität ist, die von den internationalen Konzernen aufgekauft und mit anderen Sorten verschnitten wird, gelten Kaffees mit einer Bewertung von über 80 als Spezialitäten. „Die werden zu hohen Preise an Kunden in Asien verkauft“, erklärt Altamirano.

Seit im 17. Jahrhundert die ersten Kaffeehäuser in Venedig und kurz darauf in Bremen eröffneten, ist der Kaffeehandel zweigeteilt. Während die Anbauländer den Kaffee fast ausschließlich in Form von grünen Bohnen exportieren, findet die Röstung, Vermarktung und damit die Veredelung des Kaffees meist in Übersee statt. Das Problem dabei sei, dass „die Risiken ungleich verteilt sind“, sagt Michael Opitz von der Hanns R. Neumann Stiftung (HRNS), die seit zwei Jahrzehnten Kaffee-Kleinbauern mit Hilfsprojekten unterstützt. Während die Bauern das gesamte Produktionsrisiko tragen und enorm viel Arbeit in Anbau und Ernte stecken, verbleiben die Gewinne vor allem bei den internationalen Kaffeekonzernen.

Starbucks verdient drei Mal so viel mit Kaffee wie Brasilien, der mit Abstand größte Kaffeeproduzent der Erde. Selbst Tchibo als Marktführer in Deutschland macht (mit allen Geschäftsbereichen) drei Mal so viel Umsatz wie die Kaffee-Exporte von Peru, wo geschätzte 223.000 Familien vom Kaffeeanbau leben. Eine Studie des World Economic Forums von 2020 hat ausgerechnet, dass bei einem Verkaufspreis von 2,80 US-Dollar für eine Tasse Kaffee nur sieben Cent an den Kaffeebauern gehen – etwa 2,5 Prozent. Fast die Hälfte aller Kaffee-Kleinbauern leben nach Angaben von Fairtrade unter der Armutsgrenze.

„Mein Mann ist jeden Tag auf dem Feld, das ist harte Arbeit“, sagt Mercedes Meza Reynaga aus Cocachimba, einem Dorf am Rande des Amazonas. Etwa drei Fußballfelder umfasst das Land, das die Familie mit Kaffee und Zuckerrohr bewirtschaftet. Die größte Unsicherheit sei der Kaffeepreis, der ständig schwanke, sagt die Mutter von drei Kindern. „Wenn der hoch ist, dann geht es. Aber man hat nie Sicherheit.“ Um etwas Stabilität zu haben, betreibt die Familie einen Supermarkt im Dorf, wo sie auch ihren Kaffee an die Nachbarn verkauft. Meza erzählt von den Schulgebühren für ihre Kinder, den steigenden Lebensmittelpreisen. Manchmal gebe es Schwierigkeiten mit der örtlichen Kaffee-Genossenschaft. „Nur vom Kaffee zu leben, ist schwer“, sagt die Bäuerin.

Bei der HRNS-Stiftung, die nach eigenen Angaben mit ihren Projekten mehr als 60.000 Kaffee-Kleinbauern erreicht, versucht man deshalb, die Abhängigkeit vom Kaffee zu reduzieren. In den Anfangsjahren der Stiftung habe man oft den Ansatz verfolgt: „Wenn der Kaffee qualitativ gut ist und ihr mehr davon produziert, dann geht es euch besser“, erzählt Opitz. Das habe sich als falsch erwiesen. Heute würden die Bauern und Dörfer, die sie beraten, oft zu dem Schluss kommen, dass ein Mix aus Kaffee zusammen mit anderen Nutzpflanzen nachhaltiger und ökonomisch sinnvoller ist. Finanziert wird die HRNS von der Neumann Kaffee Gruppe, dem 1934 in Hamburg gegründeten Weltmarktführer für den Handel und Dienstleistungen mit Rohkaffee. Die Stiftung eines globalen Kaffee-Konzerns, die Bauern zu weniger Kaffeeanbau rät? Vielleicht zeigt das am deutlichsten, wie groß die Schieflage im internationalen Kaffeegeschäft ist.

Bei Atomo Coffee, einem Startup in Seattle, plant man bereits eine Zukunft ohne Kaffee. Aus den Samen von Datteln, Brotnussbaum und Sonnenblumen sowie Karotten, Kartoffeln und grünem Tee haben Lebensmittelwissenschaftler ein „bohnenloses“ Kaffeegetränk entwickelt. Zumindest in einem Hafer-Cappuccino sei die Mixtur „nicht von traditionellen Kaffeebohnen zu unterscheiden“, so der Geschmackstest eines Reporters des Wall Street Journals. Finanziert durch Venture Capital-Firmen versuchen auch andere Hersteller von Koffeingetränken wie Voyage Foods, Minus Coffee und Prefer einen Fuß in das Milliardengeschäft Kaffee zu bekommen. In München startete im vergangenen Jahr das Unternehmen Ciao Coffee. „Grüne Kaffeebohnen schmecken in keiner Weise wie eine Tasse Kaffee“, sagt Adam Maxwell, Chef von Voyage Food, deren Koffeindrink aus Kichererbsen und Reis besteht. Erst durch die Röstung und den Prozess der Zubereitung entstehe „das Erlebnis, das wir von Kaffee bekommen“, sagt Maxwell.

Auch wenn die Ersatzgetränke bisher nur eine Nische sind, wächst in der Branche der Ruf nach Veränderung. „Die Kaffeebranche muss sich stark verändern, damit unser aller Lieblingsgetränk eine Zukunft hat“, sagt Manager von Waldenfels. Als einen ersten Schritt hat Tchibo angekündigt, ab 2027 nur noch Kaffee aus verantwortungsvollem Einkauf anzubieten. Ähnlich argumentiert Andrea Illy, Chef des gleichnamigen italienischen Familienunternehmens. „Das schwächste Glied in der Kaffee-Kette“ seien die Millionen von Kleinbauern. Nur wenn sich deren wirtschaftliche Lage verbessere, könnten sie investieren, um sich an den Klimawandel anzupassen, fordert Illy: „Wir müssen die wirtschaftlichen Praktiken verbessern.“

Auf dem Testfeld in Norden Perus zeigt uns Melendres noch eine weitere Reihe von Kaffeebäumen. Die Blätter leuchten dunkelgrün in der Nachmittagssonne. „Das ist vielleicht eine der besten“, sagt der Agrarexperte und fährt mit der Hand über die rötlichen Kaffeebohnen. Seit fünf Jahren erntet er die Pflanze. „Sie zeigt einen hohen Ertrag, kaum Roya“, sagt Melendres. Dann rechnet er vor: Ein Kaffeeanbauer in Peru könne damit seine Ernte verdoppeln, vielleicht sogar verdreifachen. Ist das die Lösung der Probleme? Melendres lächelt nur. Erst in einigen Jahren, wenn die Daten aus allen Ländern ausgewertet sind, werden die Ergebnisse der Forschung feststehen. Egal welche der Varietäten sich am Ende durchsetzen wird. Die Zukunft des Kaffees liegt für Melendres hier, in der Erde von Peru.

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Erschienen am 1.5.2025 im Cicero

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